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Die Fragen der irakischen christlichen Flüchtlinge im Libanon

Giacomo Pizzi16 Februar 2017

(von terrasanta.net)

DeirMimas ist eine kleine christliche Ortschaft im Süden des Libanon. Sieben Kilometer von der nahen Grenze zu Israel entfernt, liegt das Dorf inmitten von Olivenbäumen und beheimatet wenige Hundert Menschen. Das Chaos von Beirut ist anderthalb Fahrstunden entfernt. Hier, auf dem kleinen Gut der Schutzgemeinschaft Terra Sancta, treffen wir mit Vater TouficBou Mehri zur sonntäglichen Messe ein.

“Ich komme jedes Wochenende hierher, um die Messe zu zelebrieren und um mit den Christen des Dorfes zusammen zu sein“, erklärt der Franziskanerbruder. Es ist eine kleine Gemeinschaft, der einige Dutzend Personen verschiedener Konfessionen angehören. Vor zwei Jahren sind jedoch einige irakische Flüchtlinge dazugekommen, die vor den Verfolgungen durch den Islamischen Staat geflüchtet sind. Auch sie nehmen an der Eucharistie teil, ins Gebet versunken, mit dem Körper in der Kirche und dem Herzen im weit entfernten Irak. Sie sind einer nach dem anderen angekommen, ohne irgendwelche Habseligkeiten mit sich zu bringen. Manche von ihnen waren Professoren, andere Unternehmer oder einfache Arbeiter: Heute sind sie alle gleich. Was sie verbindet, ist ihr trauriges Schicksal, das sie von zu Hause vertrieben hat. Jeder von ihnen muss sein Leben von vorn beginnen, in einem anderen Land, und die Kraft dazu finden, nach vorne zu schauen. In manchen Fällen ist das schwierig. „Dank der Hilfe, die wir von der Vereinigung pro Terra Sancta bekommen haben, konnten wir ein paar Maschinen kaufen, um Öl zu produzieren. So ist es uns gelungen, einen kleinen Betrieb auf die Beine zu stellen“, erzählt uns Vater Toufic.

Diese Initiative war äußerst wichtig als Teil der schwierigen Aufgabe der Brüder, die in diesen Jahren von der NGO unterstützt wurden, welche im Dienst der Schutzgemeinschaft steht. Ohne Arbeit gibt es keine Zukunft. Um zu leben, müssen sie vor allem arbeiten können. Im Gespräch, das sich nach der Messe im Pfarrsaal bei einem guten arabischen Kaffee und etwas Gebäck entwickelt, kommen die Dramen und Hoffnungen dieser Menschen zur Sprache – zu Beginn etwas zögerlich, dann mit immer mehr Klarheit.

„Was für einen schwerwiegenden Fehler habe ich in meinem Leben begangen, um jetzt hier sein zu müssen, ohne einen Freund, und mich Tag für Tag durchs Leben zu schlagen?“ Die Frage von Zued, einem jungen Mann aus Mosul um die dreißig, bricht das Schweigen. So wie er erleben auch andere das tragische Schicksal der Einsamkeit. „Um den einzigen Freund zu besuchen, der in meinem Alter ist, muss ich all die Kilometer auf mich nehmen, um nach Beirut zu gelangen.“ Auch Jilan, ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit ihren Eltern aus Qaragoush geflüchtet ist, findet keine Erklärung für dieses Leid. „Ich schaffe es nicht, denen zu vergeben, die mir mein Leben zerstört haben. Ich kann es nicht. Wie kann man jemandem verzeihen, der so viele Menschen getötet und so vielen ihre Zukunft genommen hat?“ Schweigen. Und wenn wir die Möglichkeit andeuten, zurück nach Hause zu gehen, sobald die Lage sich gebessert hat, erwidern alle im Chor: „Nein!“

(…)

Die Brüder stehen diesen Menschen, denen das Leben so viel Leid gebracht hat, als Nachbarn und Gefährten bei. Ihre Gesichter sind von Trauer und Schmerz gezeichnet. Doch es gibt auch Platz für Hoffnung auf dem langen und schwierigen Weg des Verzeihens. „Jesus hat uns aufgetragen, zu vergeben“, sagt Heline. „Wenn wir Christen sein wollen, müssen wir es versuchen.“ Es wird nicht einfach sein, aber die Worte Jesu prüfen all diese Christen, die in den Libanon geflüchtet sind. Es ist die väterliche Präsenz der Franziskaner, die bezeugt, dass die Vergebung das Leben am Ende erfreulicher macht. Und vielleicht lohnt es sich.

Hilf auch du den christlichen Flüchtlingen im Libanon!

 

Übersetzung ins Deutsche im Rahmen der PerMondo Initiative für ehrenamtliche Übersetzung von Dokumenten und Webseiten für NGOs und nicht profitorientierte Vereine. Leitung: Übersetzungsagentur Mondo Agit. Übersetzerin: Tamara Oberleiter