Nach dem Arabischen Frühling: Was steht der christlichen Gemeinschaft im Nahen Osten bevor?

Giacomo Pizzi16 Mai 2011

KustosMit Unterstützung der Nichtregierungsorganisation ATS pro Terra Sancta beteiligt sich die Kustodie des Heiligen Landes an Hilfsprojekten für die christliche Bevölkerung in Israel, Palästina, Ägypten und Syrien. Um seinen Mitbrüdern in der ägyptischen Hauptstadt beizustehen, veröffentlichte der Kustos des Heiligen Landes unlängst den Aufruf „Hilfe für Christen in Kairo“.

„Nach dem Arabischen Frühling werden die christlichen Minderheiten im Nahen Osten immer stärker.“ Sie verlangen „die uneingeschränkte Anerkennung als Bürger mit den gleichen Rechten wie die anderen“, berichtete Pater Pizzaballa bei dem Treffen, das von Imamen, Mitgliedern der jüdischen Gemeinde wie auch Vertretern der Armenier, Kopten, Kurden, Roma und Berber besucht wurde.

Die Ereignisse, die junge Muslime und Christen dazu brachten, gemeinsam für Demokratie und Freiheit einzutreten, lassen in der gesamten orientalischen Christenheit und besonders in Ägypten neue Hoffnung aufleben. Wer bislang aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit unter schwierigen Bedingungen lebte, hat nun die Hoffnung, als Gleichberechtigter anerkannt zu werden.

Mit Ausnahme der Vereinigten Arabischen Emirate gilt in allen Ländern des Nahen Ostens, in Ägypten, Jordanien, Palästina und Syrien, der Grundsatz der Glaubensfreiheit. Christen werden nicht davon abgehalten, ihren Glauben zu praktizieren. Das bedeutet aber nicht, dass es eine uneingeschränkte Gewissensfreiheit gebe.

Der Kustos des Heiligen Landes bemerkte, dass auf der Nahost-Synode im vergangenen Oktober das Verlangen nach Gleichheit hervorgetreten sei. Bei der Abfassung des Schlussdokuments betonten die Bischöfe eindringlich die „Bedeutung der Gleichheit aller Bürger“.

Worauf man jetzt wartet, geht über Gewissensfreiheit hinaus. Man verlangt die uneingeschränkten Bürgerrechte. Der Kustos des Heiligen Landes hob hervor, dass man nicht einfach als Muslim oder Christ geboren werde. Die Christen im Nahen Osten sind auch arabische Bürger und wollen als solche anerkannt werden. Sie wollen die gleichen Rechte haben wie die anderen Bürger.

Pater Pizzaballa erklärte, dass die Christen im Nahen Osten keine ethnische, sondern eine religiöse Minderheit seien. Orientalische Christen „sind Araber, denken wie Araber und leben in der arabischen Kultur“. Diese Christen „sind wahre und echte Bürger, loyal gegenüber ihrem Land, treu zu ihren Pflichten als Bürger dieses Landes“. Da sei es doch „nur natürlich, dass sie in den Genuss von Glaubens- und Gewissensfreiheit, freier Bildung und Lehre sowie Informationsfreiheit kommen wollen“.

Abschließend hob der Kustos des Heiligen Landes nicht etwa die Sorgen über Ereignisse der jüngsten Zeit hervor. Vielmehr sei der Arabische Frühling „der Beginn einer neuen Ära“. Der Weg für Veränderungen steht offen. Für die christliche Minderheit gibt es neue Möglichkeiten, an der Entwicklung der arabischen Länder, in denen sie eine so wichtige Rolle spielt, teilzunehmen.