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Der Sieg von Aleppo: willkommen heißen, Barmherzigkeit üben, Einheit leben

Giacomo Pizzi11 April 2016

Pater Firas Lufti ist der Obere der franziskanischen Gemeinschaft. an der Schule vom Heiligen Land (Collège de Terre Sainte) von Aleppo. Er ist auch Pfarrvikar der Pfarrei Heiliger Franz von Assisi, die für viele in der Stadt – sowohl für Christen als auch für Nichtchristen – mittlerweile zu einem Anlaufpunkt geworden ist. Im Interview erzählt er von sich selbst und von der Arbeit der Franziskaner in Aleppo.

Pater Firas, was können die Franziskaner von Aleppo in dieser katastrophalen Situation tun?

Wir sind derzeit vor allem damit beschäftigt, Menschen willkommen zu heißen. Wir haben hier die Schule vom Heiligen Land (Collège de Terre Sainte), die früher ein Internat war und am Ortseingang von Aleppo liegt. Es ist ein großes Gebäude, das derzeit junge Leute und Familien beherbergt, die aus der Stadt hierher gekommen sind. Der Ort ist immer noch relativ sicher, und er bietet enorm viel Platz. Hier können Kinder in sicherer Entfernung von den Explosionen der Kampfhandlungen spielen, und die Familien können sich in Ruhe erholen.

Außerdem betreiben wir hier ein Auffanglager für alte Menschen und Kranke, das vor sechs oder sieben Monaten im Gefolge der Bombardierung der Altstadt von Aleppo eingerichtet wurde. Hier sind die Menschen ebenfalls in etwas größerer Sicherheit. Das Gebäude wurde ja genau für diese Zwecke geplant, deshalb kann es von den Menschen aktuell gut genutzt werden. Hier haben sie ein Mindestmaß an Elektrizität, Wasser und medizinischer Versorgung.

Die Schule wird auch als Sommerzentrum genutzt: Alle Christen aus Aleppo versammeln sich hier, weil es genügend Platz gibt. Und da es schwierig ist, die Stadt zu betreten oder zu verlassen, verbringen viele Menschen einige Tage hier.

Um wie viele Menschen handelt es sich denn?

Wenn während des Sommers verschiedene Gruppen gleichzeitig an diesem Ort sind, reden wir von rund 200 bis 300 Menschen. Seit Neuestem kommen auch viele muslimische Flüchtlingskinder hier an. Einmal kam eine Gruppe von 600 Kindern! Die Freiwilligen organisieren dann Spiele und andere Aktivitäten, für die man viel Platz benötigt. Das ist der Grund, warum wir derzeit nur die Schule vom Heiligen Land nutzen. Als die Christen in Aleppo noch stark vertreten waren, wurden noch Trainingslager außerhalb der Stadt organisiert. Aleppo ist mittlerweile jedoch eine abgeriegelte Stadt, so dass die einzige Möglichkeit darin besteht, geeignete Gebäude innerhalb der Stadtgrenzen zu finden – eben solche Gebäude wie unseres. Der Aufenthalt in unserem Zentrum ist kostenlos. Die Menschen wundern sich immer darüber: Hier ist es ansonsten schwierig, einen Ort zu finden, der ohne Bezahlung das bietet, was die Schule vom Heiligen Land bietet.

Was bedeutet ihre Präsenz in der Stadt für Aleppo?

Hier kann ich ebenfalls nur sagen: Menschen willkommen zu heißen und Barmherzigkeit zu üben sind die zwei Aspekte, die uns derzeit am stärksten auszeichnen. Es gibt allerdings noch einen dritten Aspekt: die Einheit mit anderen zu leben. Ich bin zusätzlich Pfarrvikar der Pfarrei Heiliger Franz von Assisi. Dies ist der einzige Ort, der alle Menschen willkommen heißt. Der Ort ist deshalb zum Symbol für die Christen und auch für andere Menschen in Aleppo geworden.

Unsere Aufgabe als Franziskaner ist es schon immer gewesen, die Begegnung mit den anderen Kirchen zu suchen. Durch den Krieg hat dieser Auftrag eine geradezu unglaubliche Tragweite bekommen. Ich denke immer an die Umarmung zwischen Papst Franziskus und (dem russisch-orthodoxen Patriarchen) Kirill. Diese Umarmung hat uns zu Bewusstsein gebracht, dass wir bereits im Martyrium vereint sind. Wir versuchen so gut wir können für diese Tatsache Zeugnis abzulegen, auch gerade weil wir uns hier in der Mitte eines Mosaiks aus Konfessionen befinden.

Was ist Ihnen persönlich als schönstes Beispiel dafür in Erinnerung geblieben? 

Das schönste Beispiel dafür ist für mich definitiv, wenn die gesamte Kirche anlässlich eines Begräbnisses oder einer Hochzeit vereint ist, wenn Orthodoxe und Katholiken also zusammen trauern oder sich anlässlich einer Hochzeit darüber freuen, dass trotz aller Probleme eine neue Familie entsteht. Für mich zählt genau die Tatsache, dass wir uns ganz konkret als Brüder vereint fühlen können.

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