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Die Kirchengemeinde zum Guten Hirten: Neuigkeiten von Jerichos Christen, der Stadt und der Terra Santa Schule

Giacomo Pizzi22 Mai 2012

Im Folgenden lesen Sie ein Interview mit Pater Ibrahim, Gemeindepfarrer und Direktor der Terra Santa Schule in Jericho:

–          Wie lange sind Sie bereits in Jericho? Und wo waren Sie davor?

Seit gut eineinhalb Jahren bin ich nun in Jericho. Davor betreute ich zwei Missionen, die erste in Jordanien, die zweite im Libanon.

–          Wie viele Christen leben aktuell in der Palmenstadt Jericho? Wie hoch ist die Zahl der Katholiken?

Hier in Jericho macht die christliche Bevölkerung gerade mal ein Prozent aus – 370 Christen unter einer Bevölkerung von 37.000. Es gibt 54 katholische und 30 orthodoxe Familien, sowie eine kleine syrisch-orthodoxe Gemeinschaft (3 Familien).

–          Die Terra Santa Schule ist mittlerweile zu einem beeindruckenden Komplex herangewachsen. Wie viele Kinder besuchen die Einrichtung? Sind alle Christen? Was für Fächer werden unterrichtet?

Als die Franziskaner 1925 nach Jericho kamen, erkannten sie, dass Bildung Mangelware war. Dem Anspruch „Licht in die Welt zu tragen“ folgend, mieteten sie ein kleines Gebäude neben der Kirche an. Dass war der Anfang der Terra Santa Schule in Jericho. Zu Beginn waren es rund 100 Schüler. Heute, sechzig Jahre später, gibt es 470 Schüler. Davon sind lediglich 6,2% Christen. Die verbleibenden 93,8 sind Muslime.

–           Gibt es andere Bildungseinrichtungen in der Gegend?

Ja, heute gibt es 22 staatliche Schulen in Jericho, sowie ein paar private. Allerdings sind wir neben den franziskanischen Missionsschwestern die einzige christliche Bildungseinrichtung.

–          Wie finanziert sich die Schule?

Wir erhalten keinerlei finanzielle Unterstützung von den Palästinensischen Behörden. Und angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage können wir von den Eltern nicht mehr als eine kleine Verwaltungsgebühr verlangen. Dieses Geld deckt gerade einmal ein Viertel der Gehälter und Wartungskosten ab.

Normalerweise werden die Schulgebühren zum Unterhalt der Klöster verwendet. Dies gilt allerdings nicht für die Kustodie des Heiligen Landes. Hier schlagen die Schulen mit einem monatlichen Defizit zu Buche, das durch Spenden und die Aufnahme von Pilgern beglichen werden muss.

–          Wie viele Mönche leben hier? Was ist die Aufgabe der Gemeinschaft zum Guten Hirten?

Wir sind eine kleine Gemeinschaft mit nur zwei Mönchen – und ich bin der einzige Priester. Somit bin ich zugleich Gemeindepfarrer, Guardian und Schulleiter. Der zweite Mönch kümmert sich um die alltäglichen Dinge in der Kirche und im Kloster.

–          Erzählen Sie uns mehr über die Arbeit als Gemeindepfarrer, über den Franziskanerorden und das Leben in Jericho.

Es ist ganz normal für einen Christen nicht nur an sich oder nur an andere Christen zu denken. Die Liebe Jesu Christ lässt ihn stets auch an das Allgemeinwohl und an all die Menschen denken mit denen er zusammenlebt.

So konnte mein Vorgänger etliche italienische Bürgermeister dazu bewegen, den Bau einer Behindertenwerkstatt in Jericho zu unterstützen. Auch die Stadtbibliothek wurde auf Bestreben der Franziskaner eröffnet – und bis dato ist es die einzige. Von den Anfängen der Terra Santa Schule, die aus dem franziskanischen Streben Gutes für Alle Menschen zu tun entstanden ist, habe ich vorhin ja schon berichtet.

Als Gemeindepfarrer repräsentiere ich neben dem Bürgermeister die Stadt und vertrete die Interessen Jerichos in Gesprächen und Treffen mit internationalen Delegationen. Jede Initiative die den Menschen hier hilft ist willkommen.

Bei all dem darf natürlich nicht vergessen werden, dass Bedürftigen auch ganz direkt und persönlich geholfen wird.

Auch die Terra Santa Schule ist ein wichtiger Faktor im lokalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefüge. Sie ermöglicht nicht nur den Zugang zur Bildung, sondern bietet Lehrern und Hilfskräften auch einen Arbeitsplatz.

Die lokale christliche Bevölkerung unterstützen wir mit allem was sie zum Überleben benötigen. Oftmals hängt dies aber ganz entscheiden davon ab, was wir an Spenden und Zuwendungen erhalten. Unsere Aufgaben sind dabei ganz unterschiedlich: so helfen wir baufällige Gebäude in Stand zu halten, oder geben Essensgutscheine an die bedürftigsten Familien, mit oftmals vielen Kindern, aus. Schul- und Unigebühren werden übernommen. Alten Menschen wird geholfen, die in Palästina keine Pension erhalten und meist über keine medizinische Absicherung verfügen. Und natürlich helfen wir auch jungen Paaren die sich eine eigene Zukunft aufbauen wollen.

–          Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit andern Kirchen, insbesondere mit der muslimischen Gemeinde? Gibt es Treffen um die Probleme der Menschen zu lösen?

In Jericho gibt es eine orthodoxe Kirchengemeinde die rund 30 Familien umfasst (102 EW). Der orthodoxe Priester kommt aus Griechenland und spricht nur sehr gebrochen Arabisch, was häufig zu Verständigungsproblemen führt. Zudem gibt es noch ein paar syrisch-orthodoxe Familien. Mit ihrem Bischof pflegen wir sehr gute Beziehungen.

Die Ökumene gehört zu unserem Alltag, insbesondere was das Zusammenleben betrifft. Der Religionsunterricht, die Mitgliedschaft bei den Pfadfindern, die Feiern und Fahrten sie stehen allen offen. Die Schulgebühren der orthodoxen Kinder werden genauso übernommen wie die der Katholiken.

Kurzum die Katholische Kirche des Guten Hirten sorgt sich um all Christen, nicht nur um die Katholiken. Die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeindevorstehern ist meist von gegenseitigem Respekt geprägt. Die Regierung organisiert regelmäßig Treffen in dem verschieden Themen und Projekte besprochen werden.

Für uns ist allerdings die Terra Santa Schule das wichtigste Projekt. Es ist zweifelsohne mit viel Arbeit und Entbehrungen verbunden. Wir nehmen diese aber gerne auf uns, da wir wissen wie wichtig die Schule für die Bewohner hier ist. Es ist unser Beitrag für Jericho.

–          Wie werden Sie von der nicht-christlichen Bevölkerung gesehen? Gibt es gemeinsame Feste? Und wie würden Sie das nachbarschaftliche Verhältnis beschreiben?

An christlichen, muslimischen und nationalen Feiertagen wünscht man sich gegenseitig alles Gute. Oftmals sind es große Feste mit Regierungsvertretern und Militärangehörigen. Aber auch im Alltag herrscht eine besondere, ja einzigartige Atmosphäre. Bei Beerdigungen bezeugen alle ihr Beileid, ungeachtet der Konfession.

Es gibt leider auch fundamentalistische Strömungen, die dem andauernden Konflikt mit Israel zuzuschreiben sind. Die Verbitterung, die so mancher Muslim in seinem Herzen trägt, kann, wenn sie auf Ignoranz stößt, zu einer blinden Wut werden, die auch für ihre Leidensgenossen, die christlichen Araber gefährlich ist.

–          Jericho ist eine biblische Stadt. Welche Bedeutung hat das für Sie?

In der Tat, Jericho ist eine der ältesten Städte in der Welt. Und es ist eine biblische Stadt. Die archäologischen Ausgrabungen, die Kultur, die Lieder und selbst die Stadtbezirke (Sycamore, Zacchaeus) zeugen von der bewegten Vergangenheit Jerichos, vom Band zwischen Bibel und der heutigen Stadt. Die bedeutendsten Zeugen sind allerdings die Christen der Stadt – sie sind die „living stones“. Ihre Präsenz zeugt davon dass Jesus Jericho einst besuchte. Er hinterließ nicht nur viele Erinnerungen und archäologische Spuren, sondern vor allem viele Christen. Diese Christen zeugen bis zum heutigen Tage davon, dass Jesus auferstanden ist, dass Zacchaeus nicht der Einzige war, der spirituelle Heilung erfuhr. Genau wie der Blinde nicht als einziger physisch von seinem Gebrechen befreit worden ist.

Um mehr über das, von ATS pro Terra Sancta, geförderte Projekt in Jericho zu erfahren, folgen Sie dem link.