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Geschichte einer Reise nach Syrien. Erste Station: Latakia und die Hilfe für IDlib-Vertriebene

Giacomo Pizzi22 Oktober 2018

Syrien. Wir kommen in Latakia in der tiefen Nacht an. Die Reise von Beirut bis hier ist fast sieben Stunden gedauert: erst von dem Verkehr der libanesischen Hauptstadt zwischen riesige Palästen und unendliche Alleen untergetaucht und dann auf  zerrütteten Straßen und dunklen Ländern oder der syrischen Küsten entlang. Latakia schläft ruhig, von dem stillen Meer gewogen, das sanft den Hafen mit den riesigen Baukränen streichelt, die erhoben und stille in der kühlen Luft der Nacht bleiben und auch während der Fahrt sind nur die Check Points der Straße entlang und die selten Blitzen in dem Dunkel, die uns erinnern, dass der Krieg noch nicht zum Schluss ist.

2014 dachte man, dass auch diese Stadt Theater von gewaltsame Zusammenstoßen hätte werden sollen aber dann ist der Krieg nicht wirklich angekommen und es gibt nicht, das scheinbar uns das Gegenteil vorstellen lässt. Aber alles bleibt nur scheinbar, weil hier die größte Teil der Menschen unter der Armutsgrenze lebt. Es gibt keine Arbeit und die Wirtschaft befindet sich in einer Krise. „Man lebt selbstverständlich sicherer als anderswo und es gibt einige weitere Möglichkeiten, eine Zukunft zu bilden“, erzӓhlt uns Bruder Atef nächstes Morgen. Er ist der Franziskanerpfarrer von der Verwahrung des Heiligen Landes. „Das ist warum“ geht er weite, „viele Christen von Idlib, den christlichen Dörfer von Knayeh und Yacoubieh sind in Latakia geflogen“.

Sie sind Menschen, denen die Furien der Dschihadisten von Al-Nusra alles weggebracht wurde. Sie waren wohlhabenden Menschen, die sich ein würdiges Leben durch die Bebauung von Oliven- und Fruchtbäume gewonnen hatten. Menschen, die von einem Tag auf den anderen von eifersüchtigen Nachbarn oder Kommilitonen verjagt wurden, die Freundschaften  ausgenutzt haben, um ihnen zu dieben und ihren Boden zu besetzen. Strafe falls Ablehnung: Tode.

Diese sind die Menschen, die die christlichen Gemeinschaften von Latakia zusammenstellen. Das Verband Pro Terra Sancta bietet ihnen Hilfe seit 2014 an. Sie gibt 350 Familien Nahrungsmitteln und wirtschaftliche Unterstützung, um Mieten zu bezahlen. Außerdem teilt sie Pulvermilch für 50 Kinder und diverse Hilfe ihrer Muttern. Nach eine kurze Besprechung mit Pater Atef, richten wir nach dem Büro von ATS pro Terra Sancta, das sich in dem Gebäude von einem franziskanischen Kloster befindet. Hier treffen wir Eva, die für den Verband arbeitet, seitdem wir das Büro vor einem Jahr geöffnet haben, und Henryt, eine junge 27jӓhrige Freiwillig. Sie kollaboriert mit uns seit diesem Sommer, als ihr gefragt wurde, alle Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen der Gemeinschaft zu koordinieren (eine sehr wichtige Erziehungsaktivität, die von der deutschen Stiftung MISEREOR zusammen mit ATS unterschützt ist). „denk mal, dass viele Kinder“, erklärte Eva, „hatte nie echten Käse gegessen, und viele konnten auch nicht mit einander Spielen, weil sie an gewaltsamen Verhalten gewöhnt waren. Die Fälle von häuslicher Gewalt sind vielfӓtige, die auf Frustration und Verzagtheit zurückzuführen sind und die Kinder benehmen sich daher.“ Die Ferienlagern sind deshalb eine Möglichkeit gewesen, einen anderen ordentlichen und schönen Weg zu sehen, Spaß zu haben.

Eva ist armenischer Abstammung, aber sie wurde hier geboren und aufgewachsen, während Henryt aus Knayeh kommt. Sie und ihre Familie wurden auch gezwungen, der Verfolgung von Al-Nusra zu entfliehen. „Mein Vater hatte ein Restaurant – sagt sie – das viele Leute zum Gast hatte. Vielen sagten, das es am Besten in Knayeh war. Hier servierte man neben dem köstlichen Essen Wein und Arak [ein alkoholisches Getränk aus Anis, das im Nahen Osten sehr geschätzt wird] von eigener Produktion. Eines Tages kamen zwei Männer zur Tür und baten uns um eine unmögliche Summe. Mein Vater hat abgelehnt und wir mussten weggehen … „. Wie Henryt erzählt, beginnt der Eindruck, mir  sei gerade in der Nacht zuvor angekommen, langsam zu verblassen: Der Krieg ist noch nicht vorbei und wir stehen tatsächlich vor einem der Tausenden von Menschen, die nicht nach ihrer Heimat zurückkehren können, weil in der Provinz von Idlib, wo Knayeh liegt, die 50.000 Dschihadisten, die hier Zuflucht gesucht haben, die Herren sind. Und obwohl die reguläre Armee und ihre Verbündeten in der letzten Zeit den Druck um der Region gelockert haben, sind die Straßen noch immer geschlossen und warten auf eine endgültige Entscheidung, die erst spät kommt. „Und selbst wenn wir eines Tages zurückkehren könnten, weiß ich nicht, was wir finden würden …“

Die Geschichte von Henryt ist der vieler anderer Familien in Latakia ähnlich. Ähnlich wie Chania und Jussuf, die in einem Haus unter schrecklichen Bedingungen leben, und davon überzeugt sind, dass ihr Sohn, der vor fünf Jahren von den Rebellen in Yacoubieh entführt wurde, eines Tages zu Ihnen in Latakia zurückkehren wird. Niemand hat mehr Niemanden hat den Mut, ihnen zu wiederholen, dass ihr Sohn wahrscheinlich nicht mehr lebendig ist, weil das Lösegeld für seine Freilassung zu hoch war. Nicht einmal Maruoa, ihre Tochter, die trotz alles im November Hani heiraten wird: eine wundervolle Nachricht, eine Blume der Hoffnung, die für einen Moment die Geschichten der Tragödien unterbricht, die vor uns aufeinander folgen. Ähnlich wie Fateh, der Fahrer, der uns auf unserem nächsten Halt begleiten wird: Damaskus. Er spricht Italienisch, weil er vor dem Krieg zahlreiche Geschäftsreisen für italienische Ölmühlen gemacht hatte. Er hatte auch einen Ölpresse, die Stück für Stück von den Rebellen weggenommen und wieder zusammengesetzt wurde, man weiß nicht wo. Vor einigen Monaten zerstörte eine Rakete sein Haus.

Inmitten dieser Tragödie fällt uns besonders auf, dass sie am Ende jeder Besprechung Gott immer danken: „Gott sei Dank leben wir“, sie sagen es uns „und wir können immer noch hoffen“. Und dann danken sie uns für unseren Besuch, sie danken ATS und den Franziskanern für die Hilfe, die für viele von ihnen wirklich lebenswichtig ist. Die Tatsache, dass wir sie nicht vergessen haben und dass wir sie kontinuierlich begleiten, ist schon ein Grund, zu hoffen und weiter zu leben.