Interview aus Gaza

Giacomo Pizzi28 September 2010

Pater Abuna Elias, arabischer Name von Pater Guillermo Javier Fabrega, Argentinier des „Instituto del Verbo Encarnado“, lebt mittlerweile seit über einem Jahr in Gaza, wo er als Pfarrvikar in der einzigen katholischen Pfarrei tätig ist und sich insbesondere um Jugendliche mit starken Behinderungen kümmert.

Wie ist das Leben für die Christen in Gaza?

Das Leben in Gaza ist wie anderswo auf der Welt und auch die alltäglichen Probleme sind dieselben. Was hinzukommt, sind die mit der gegenwärtigen Situation verbundenen Probleme, wie beispielsweise die Arbeitslosigkeit.  Die meisten jungen Leute unserer Pfarrei haben eine Ausbildung und sind Fachmänner, haben jedoch keine Arbeit. Das schlimmste dabei ist, dass sich keiner um diese Menschen kümmert und sie versorgt. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Einwohner kaum verreisen können, viele nicht den eigenen Geburtsort besuchen können. Wir sind keine Kriminelle und dennoch wurde Gaza tatsächlich in ein großes Gefängnis verwandelt. Die Schwierigkeiten sind meist dadurch bedingt, dass wir als Christen in einer Gegend wohnen, die größtenteils von Muslimen bewohnt ist. Ein Beispiel dafür? Die jungen Mädchen müssen in den muslimischen Schulen und Universitäten den Schleier tragen.

Welche Schulen besuchen die Christen?

Fast alle Kinder  christlicher Familien studieren in christlichen Schulen: unsere Pfarrei hat zwei Schulen und es gibt außerdem eine von den „Hermanas del Rosario“ geleitete Schule und eine griechisch-orthodoxe Schule.

Könnt ihr die Heilige Messe feiern?

Es gibt große Genehmigungen für unsere religiösen Aktivitäten, solange sie innerhalb der christlichen Gemeinschaft stattfinden. Unsere christlichen Bräuche werden respektiert.

Was tun die Christen, um den Dialog mit den Muslimen  zu unterstützen?

Die christliche Bevölkerung betet viel für die Freiheit und den Frieden. Aber sie stimmen darin überein, dass der Frieden auf Wahrheit beruht, und dass beide Seiten, die diesen Frieden erreichen könnten, weder jemals diese Wahrheit aussprechen noch diese Wahrheit wollen…aus diesem Grund wollen sie umso weniger den Frieden.

Darüber hinaus ist der Beitrag der christlichen Gemeinschaft seinen muslimischen Brüdern gegenüber sehr wichtig. Unsere christlichen Schulen haben den Kindern in Gaza jahrelang eine gute Ausbildung ermöglicht, und das ohne Diskriminierung auf Grund der jeweiligen Religion. Das ist natürlich ein großer Beitrag an die gesamte Gesellschaft, ebenso wie die Almosen und die christlichen Wohltaten. Es gibt in Gaza nur zwei Anstalten für Kinder mit schweren Behinderungen und beide werden von Christen der katholischen Pfarrei „Sagrada Familia“ geleitet. Eines ist das “Hogar de las Hermanas de la Caridad de la Madre Teresa de Calcuta” und das andere das “Hogar de Cristo“, in dem wir Pater tätig sind. Obwohl es verboten ist, Bekehrungseifer zu betreiben oder das Evangelium zu verkünden, werden diese Tätigkeiten nicht nur akzeptiert, sondern positiv beurteilt. Es handelt sich dabei um Wohltaten jenen Menschen gegenüber, die die Hilfe am stärksten benötigen: das ist ein wunderbares Geschenk an die ganze Gesellschaft, sowohl an die christliche als auch an die muslimische. Tatsache ist, dass die Mehrheit der Kinder mit Behinderungen, die von uns aufgenommen werden, Muslime sind.