Pater Armando schreibt an die deutsche Musikschule

Giacomo Pizzi14 Februar 2011

Dies ist die Veröffentlichung des Briefes, den Pater Armando, der Direktor der Musikschule der Kustodie des Heiligen Landes in Jerusalem, dem Magnificat, an die Unterstützer und Freunde der Musikschule Grünwald verfasst hat. Die Worte des Paters Armando wurden im Rahmen des Konzerts am 23. Januar vorgelesen.

Liebe Freunde, lieber Dirigent,

mein Name ist Pater Armando Pierucci; Ich bin ein Franziskanerpater, genauso wie die im St. Antonio Kloster in München. Bis 1988 habe ich Orgel und Orgel-Kompositionslehre an der „G.Rossini“ Musikhochschule in Pesaro, der Stadt an der Adria, die die Münchener als ihren Strand ansehen, unterrichtet. Pater Ignazio Mancini, der zu der Zeit Kustos des Heiligen Landes war, sagte zu mir: „Wir haben viele Mönche die Musik machen, aber was wir brauchen ist einen Chefdirigenten.“. „Wenn sie wirklich spielen können“, antwortete ich, „werde ich für zwei Jahre in das Heilige Land kommen, um alles zu ordnen und dann wieder nach Italien zurückkehren.“.

Das war 1988. Zu den zwei Jahren musste ich immer wieder zwei weitere Jahre anfügen. Tatsächlich konnte ich den ersten sieben Jahren keinen einzigen jungen Mönch davon überzeugen sich der Musik zu widmen, um den Orgeldienst in der heiligen Grabeskirche oder in den anderen Heiligtümern und Kirchengemeinden des Heiligen Landes zu sichern. Sie alle sagten: „Mit Musik kann hier keiner seinen Lebensunterhalt verdienen.“

I musste ihnen zeigen, dass hier jemand seinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen konnte, genau    wie Agostino Lama, ein Armenier und Vater von acht Kindern, der dies bis 1988 getan hatte. 60 Jahre war er der Chefdirigent des Heiligen Landes gewesen. Eine Schule würde jungen Menschen und deren Familien demonstrieren können, dass man mit Musik machen im Mittleren Osten leben konnte oder zumindest nicht am Hungertod sterben musste. Während eines Treffens 1995, schlug ich deshalb den Franziskanern des Heiligen Landes vor eine Musikschule zu eröffnen. Ich muss gestehen, dass ich das tat um mein eigenes Gewissen zu beschwichtigen. Ich war mir dreierlei Dingen sicher: Die Mönche würden gegen meinen Vorschlag stimmen, sie würden keinen geeigneten Ort für die Schule finden und niemand würde sich für die Schule anmelden.

Stattdessen jedoch begrüßten die Konferenzteilnehmer meinen Vorschlag einstimmig, der Architekt Pater Alberto Prodomo (OFM) gestaltete den Keller des Klosters der heiligen Grabeskirche für die Schule um und der ersten Einladung folgten 35 junge Schüler.

Von Jahr zu Jahr stieg die Anzahl der Schüler stetig. Wir haben niemals für die Schule geworben: Mund-zu-Mund-Propaganda der Kinder hat genügt. Momentan liegt die Grenze der Schüleranzahl bei 250 und darum haben wir ein Projekt vorbereitet um eine größere Einrichtung zu bauen. Von den 20 Lehrern sind sechs davon Christen. Die anderen sind mutmaßlich Juden und Muslime. Aber wir fragen niemanden nach seiner Religion, weder die Lehrer noch die Schüler.

Die meisten Schüler sind Christen, aus verschiedenen Konfessionen. Als 2009 seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI in das Heilige Land kam, hatte jeder von ihnen die Gelegenheit an der päpstlichen Messe im Kidron-Tal teilzunehmen, auch unsere Chormitglieder. Einige sagten, dass nur Katholiken teilnehmen dürften. Es stellte sich heraus, dass unsere Chormitglieder zwar wussten, dass sie Christen waren, sie jedoch nicht wussten welcher Konfession sie angehörten. Unter den Schülern haben wir auch viele Muslime und Juden. Einige von ihnen nahmen am liturgischen Gottesdienst teil.

Unsere Musikschule ist in der alten Stadt, dem Teil Jerusalems, den Saladin mit einer Mauer umzogen hat. In der alten Stadt befindet sich die heilige Grabeskirche, die Kapelle der Geißelung und die Via Dolorosa. Was die alte Stadt nicht hat, sind Felder, Spielplätze, Orte an denen junge Leute ihren Freizeitbeschäftigungen nachgehen können. Und es scheint, als wären Saladins Mauern die Grenzen eines Gefängnisses. Vielleicht ist das Magnificat aus diesem Grunde solch ein Erfolg. Musik zu studieren trägt keine ethischen, religiösen oder sprachlichen Unterschiede mit sich herum.  Am Magnificat werden mindestens zehn verschieden Sprachen gesprochen: Arabisch, Hebräisch, Armenisch, Russisch, Griechisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch.

Und zudem hat die Musik ihre eigenen Gaben: die Freude der Klänge, die Freundschaft des Chorgesangs, der Applaus bei Konzerten, der die Belohnung für monatelanges Üben ist, die Freiheit Gefühle zu zeigen, ohne rot anzulaufen, die Möglichkeit sein Leben einer artistischen Tätigkeit zu widmen, wie es drei Schüler getan haben, die nun Lehrer am Magnificat sind. Wir legen sehr viel Wert auf Chorgesang, welcher die Stimmen harmonisch vereint. Mit unseren Chören waren wir im September 2009 in der Schweiz, wo wir zwei CDs mit geistlichen Liedern auf arabisch aufgenommen haben: Eine CD für die Weihnachts- und eine für die Osterzeit. Es gibt gottesdienstliche Lieder aus den frühen christlichen Jahrhunderten, als die Kirche noch vereint war; andere wurden aus der Erinnerung älterer Menschen wieder hervorgerufen oder komplett neu kreiert.

Auf diese Weise, durch die Lehre der Musik und die Wiederentdeckung des Chor-Repertoires, praktizieren wir eine Form der Musiktherapie: Gemeinsam zu singen und zu spielen hilft dabei die Traumata zu lindern, die durch Rassenfeindlichkeit, durch 150 Kilometer Mauer und durch erschöpfende Wartezeiten an den militärischen Kontrollpunkten entstanden sind. Die Wiederentdeckung des künstlerischen, gottesdienstlichen und musikalischen Repertoires, demonstriert ganz offensichtlich, vor allem gegenüber Christen, dass wir die selben Wurzeln auf der Erde haben, genauso, wie wir den selben Vater im Himmel haben.

Ich bin Ihrer Musikschule überaus dankbar. Für Ihren fabelhaften Einsatz heute Abend, für Ihr Konzert zur Unterstützung der Magnificat. Neben meinem Dank, haben Sie die Dankbarkeit der Franziskaner, die sich um die Heiligen Stätte sorgen und von all den Schülern und Lehrern unserer Musikschule in Jerusalem. Unsere Schule heißt „Magnificat“, weil wir inspiriert wurden durch die Umarmung, die die beiden Mütter, Elisabeth und die Heilige Maria, die eine jüdisch und die andere galiläisch, in Ain Karem, nicht weit entfernt von Jerusalem, ausgetauscht haben. Die heilige Maria sang damals Magnificat.

Ihre Umarmung, liebe Musiker und Anwesende, führt die Umarmung der beiden Mütter weiter: Ihr Deutschen umarmt uns mit eurer Liebe. Wir wohnen hier in Jerusalem, aber wir kommen aus vielen Teilen der Erde. Eines Tages werden wir alle gemeinsam singen: „ My soul doth magnify the Lord“.

Vielen Dank.

In ergebener Güte,  Ihr  Pater Armando Pierucci