„Wir finden uns nicht mit einem Mittleren Orient ohne Christen ab“: Papst Franziskus trifft die Patriarchen der Orientalischen Kirchen

Giacomo Pizzi6 Dezember 2013

„Wir finden uns nicht mit einem Mittleren Orient ohne Christen ab“: so die Worte von Papst Franziskus in einer Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für die orientalischen Kirchen, die am 21. November im Clementina Saal des Vatikanischen Palastes stattgefunden hat. (Die komplette Rede findet sich hier abgedruckt: vatican.va)

„Am heutigen Vormittag habe ich von den Patriarchen und Großerzbischöfen persönlich etwas über die Situation der verschiedenen Ostkirchen erfahren können: die wieder aufgeblühte Vitalität jener, die lange von kommunistischen Regimen unterdrückt worden sind; die missionarische Dynamik jener, die auf die Verkündigung des Apostels Thomas zurückgehen; die Standhaftigkeit jener, die im Nahen Osten leben, nicht selten in der Situation einer »kleinen Herde« in einem von Feindseligkeit, Auseinandersetzungen und auch verborgener Verfolgung geprägten Umfeld.

[…] Mein Gedanke richtet sich insbesondere auf das gesegnete Land, in dem Jesus gelebt hat, gestorben und auferstanden ist. In ihm – das habe ich heute auch durch die anwesenden Patriarchen erfahren – ist das Licht des Glaubens nicht verlöscht, sondern brennt vielmehr hell. Es ist »das Licht aus dem Osten«, das »die Gesamtkirche erleuchtet, seitdem über uns ein aus der Höhe aufstrahlendes Licht (Lk 1,78), Jesus Christus, unser Herr, erschienen ist« (Apostolisches Schreiben Orientale Lumen 1). Jeder Katholik schuldet daher den Kirchen, die in jener Region leben, dankbare Anerkennung. Von ihnen können wir unter anderem die Mühe der täglichen Übung des ökumenischen Geistes und des interreligiösen Dialogs lernen. Der geografische, historische und kulturelle Kontext, in dem sie seit Jahrhunderten leben, hat sie in der Tat zu natürlichen Gesprächspartnern zahlreicher anderer christlicher Konfessionen und anderer Religionen werden lassen. Zu großer Sorge veranlassen die Lebensbedingungen der Christen, die in vielen Teilen des Nahen Ostens in besonders schwerwiegender Weise unter den Folgen der bestehenden Spannungen und Konflikte zu leiden haben.

Syrien, Irak, Ägypten und andere Gebiete des Heiligen Landes vergießen bisweilen Tränen. Der Bischof von Rom wird nicht ruhen solange Männer und Frauen jeglicher Religionszugehörigkeit in ihrer Würde getroffen, des Lebensnotwendigen und ihrer Zukunft beraubt, aus ihrer Heimat vertrieben und in die Situation von Flüchtlingen gedrängt werden. Gemeinsam mit den Hirten der Ostkirchen appellieren wir heute dazu, das Recht aller auf ein Leben in Würde und auf das freie Bekenntnis des eigenen Glaubens zu respektieren. Wir finden uns nicht damit ab, an einen Nahen Osten ohne Christen zu denken, die dort seit zweitausend Jahren den Namen Jesu bekennen und als vollberechtigte Bürger in das soziale, kulturelle und religiöse Leben der Nationen eingefügt sind, denen sie angehören.

Das Leid der Kleinsten und Schwächsten, verbunden mit dem Schweigen der Opfer, stellen eine eindringliche Frage: »Wie lange noch dauert die Nacht?« (Jes 21,11). Wie der biblische Wächter wollen wir weiterhin wachsam sein in der Gewissheit, dass der Herr es uns nicht an seiner Hilfe fehlen lassen wird. Deshalb wende ich mich an die ganze Kirche, um zum Gebet aufzurufen, das vom barmherzigen Herzen Gottes Versöhnung und Frieden zu erlangen weiß. Das Gebet entwaffnet die Unwissenheit und schafft Dialog, wo es offene Konflikte gibt. Wenn es aufrichtig und ausdauernd ist, wird es unsere Stimme sanft und entschieden machen, fähig, sich auch bei den Verantwortlichen der Nationen Gehör zu verschaffen.

Schließlich gehen meine Gedanken nach Jerusalem, wo wir alle geistlich geboren worden sind (vgl. Ps 87,4). Ich wünsche ihm allen Trost, damit es wirklich Prophetie jener von Gott beschlossenen endgültigen Sammlung aus Ost und West sein kann (vgl. Jes 43,5). Die seligen Johannes XXIII und Johannes Paul II, unermüdliche Stifter des Friedens auf der Erde, mögen im Himmel unsere Fürsprecher sein, gemeinsam mit der allheiligen Mutter Gottes, die uns den Fürst des Friedens geschenkt hat. Auf jeden von euch und auf die geliebten Ostkirchen rufe ich den Segen des Herrn herab.

Alle Ziele, die ATS pro Terra Santa in diesen Jahren verfolgt hat, in Jerusalem, Betlehem, im gesamten Heiligen Land bis nach Syrien und Ägypten, sind in dieser wunderbaren Rede von Papst Franziskus auf den Punkt gebracht: Die Unterstützung der christlichen Gemeinde, der kleinen Herde, von der der Heilige Vater spricht, die hier unter den schwierigsten Bedingungen überlebt, und der Wille, dieses „Licht des Orients“ zu erhalten, die Mutterkirche in Jerusalem, von der wir alle abstammen.