Bericht von unserer Reise nach Syrien

Giacomo Pizzi3 Mai 2016

Als wir nach zwei Besuchstagen in Damaskus in Aleppo ankommen, versteckt sich der hohe Turm von St. Franziskus hinter dem, was von den großen Mietshäusern übrig geblieben ist. Hinter einem Schutthaufen erhebt sich jedoch ein beeindruckend stabiles Gebäude, eine der fünf Kirchen der Stadt, die stehen geblieben sind. Die Pfarrei blickt heute auf einen brüchigen Waffenstillstand, der zudem bereits gebrochen wurde.

„Sie haben von Neuem zu bombardieren begonnen und schießen Raketen auf uns“, sagt man uns. In geringer Entfernung von der lateinischen Pfarrei wird der wichtigste Kampf dieses langen und absurden Krieges ausgefochten: die Schlacht um Aleppo. Die punktuellen nächtlichen Explosionen rufen es uns immer wieder in Erinnerung. Das Klima, das man an den Ostertagen einatmet, bringt jedoch eine spürbare und menschlich „unmögliche“ Freude zum Ausdruck. „Shukran“, „Danke“, sagen uns die Pfarrangehörigen immer wieder, die im Laufe der fünf langen Kriegsjahre von den Franziskanern unterstützt wurden.

Es ist die Anerkennung für das Wenige, das wir durch die Unterstützung dieser „seltsamen“ braun gekleideten Christen zu tun vermögen. Es ist aber auch die Dankbarkeit dafür, dass wir dort unter ihnen sind, um die Freude des Osterfestes mit ihnen zu teilen. Nochmals sagen sie: „Danke! Herzlichen Dank an die Freunde des Vereins pro Terra Sancta für das, was ihr gemacht habt und noch tun werdet.“ Der franziskanische Pfarrer dankt bei seiner Ansprache in der Osternacht, die er bewusst auch auf Italienisch hält, um alle zu erreichen, den Spendern und allen, die der Pfarrei von Aleppo in diesem kalten und gewaltsamen Winter in irgendeiner Weise geholfen haben. „Mit den verschiedenen gesammelten Spenden konnten wir die Leiden eines furchtbaren Winters lindern.“

Zusammen mit den vier Mitbrüdern lebt auch Pater Firas Lutfi in Aleppo. In dem Konvent, in dem wir zu Gast sind, gibt es nur für ein paar Stunden Wasser und Strom. Ab elf Uhr abends ist die Dunkelheit total. Auf den Straßen bewegt sich niemand mehr. Aleppo wird zu einer Geisterstadt. Von der Zone, die von den Rebellen okkupiert ist, trennen uns nur wenige Meter. Durch diese engen Gassen des Viertels Azizieh begleiten uns die Franziskaner der Kustodie des Heiligen Landes, um uns zu zeigen, dass auch inmitten dieser Ruinen etwas Neues zu wachsen beginnt.

„Dank der vielen erhaltenen Spenden konnten wir für diejenigen, die keine Wohnung mehr hatten, ein paar Häuser wieder herstellen.“ Zu ihnen gehört auch George, ein Ingenieur. Er hat dreimal seine Wohnung verloren, weil sie zu nahe an der Grenzlinie lag, die sich zusammen mit den Bombardierungen verschoben hat. Auch sein Büro wurde vollständig zerstört. Doch er hört nicht auf zu danken. „Gott sei Dank bin ich noch am Leben, der Herr meint es gut mit mir. Der Herr hat mein Leben verschont, und ich fahre damit fort, ihn darum zu bitten.“ „Er hat einen atemberaubenden Glauben“, hat uns Pater Samar gesagt, als er ihn mit uns zusammen besuchen ging nach den Bombardierungen, die ihm alles geraubt hatten.

Unweit vom Haus von George lebt auf 40qm Alexander, ein Chirurg. Kurz nach Beginn des Krieges wurde er Witwer. Und vor einem Jahr hat er auch seinen Sohn Issa verloren, der von einer Granate getötet wurde. „Jesus ist meine einzige Hoffnung.“ Dies hat er in dem unermesslichen Leid gelernt, seine Frau und seinen einzigen Sohn von den Kriegsherren geraubt bekommen zu haben. Doch langsam ist die Pfarrkirche, die er früher nur an Sonntagen aufgesucht hatte, zu seinem Heim geworden. „Die Franziskaner standen mir bei wie sonst niemand. Als ich nichts mehr hatte, haben sie mich aufgenommen und mir zu Essen gegeben. In ihnen habe ich die Gegenwart und Liebe des Herrn erfahren. Und ich will ihn nicht mehr verlassen.“

Am Ende der Straße wohnen Simon und Rula, ein Ehepaar. Vor weniger als zwei Jahren haben sie zwei Kinder verloren. Auch ihnen hilft die Pfarrei dabei, ihr Haus wieder aufzubauen. „Eine Granate ist genau auf dem Balkon gelandet, wo unsere beiden Kinder spielten, sie waren drei und sieben Jahre alt.“ Der Balkon wird zerrissen und die Kinder regelrecht zerfetzt. Am Tag der Beerdigung schreit Rula ihre ganze Verzweiflung heraus und will um jeden Preis die kleinen Särge öffnen, um ihren Kindern, oder dem was von ihnen geblieben ist, einen letzten Kuss zu geben. Dann, im Laufe der Monate, geschieht ein Wunder. Die Gemeinschaft der Franziskaner, die Kraft zur Vergebung und schließlich auch zur Annahme eines weiteren Kindes, das einige Monate nach der Tragödie geboren wurde.

Sie haben sich entschieden, dieses Kind Angelo (dt. Engel) zu nennen. „Er ist der Engel, den uns der Herr vom Himmel gesandt hat“, sagt Rula mit einem Lächeln, „als wir meinten, alles verloren zu haben.“