Flüchtlingskrise in Griechenland: Pater Luke Gregory berichtet über die Ereignisse in Rhodos und Kos

Giacomo Pizzi10 August 2016

Das Generalkapitel der Kustodie des Heiligen Landes, eine Versammlung von etwa 150 Franziskanern aus allen Provinzen, ist gerade zu Ende gegangen. Unter den Brüdern befand sich Pater Luke Gregory, der neulich in einem Interview über die Flüchtlingskrise sprach, die Rhodos getroffen hat; Rhodos ist die griechische Insel, auf der er seit zwölf Jahren als Gemeindepfarrer tätig ist. Während des Generalkapitels wurde Pater Luke Gregory außerdem zum Vertreter der englischsprachigen Gruppe beim Diskretorium für das Heilige Land ernann; er wird also an den Beratungen über viele entscheidende Fragen betreffend die Zukunft der Kustodie teilnehmen.

Pater Luke, könnten Sie uns einen aktuellen Überblick über die Flüchtlingskrise in Grichenland geben?

Im vergangenen März ist ein Gesetz (in Übereinstimmung mit den Vereinigten Nationen) in Kraft getreten, wonach alle Flüchtlinge sich in Richtung Türkei begeben sollen. Gemäß diesem Gesetz darf zur Zeit kein Flüchtling Griechenland verlassen und in ein anderes europäisches Land einreisen. Wir wissen, dass die Flüchtlinge nach einiger Zeit von Rhodos und Kos nach Athen geschickt werden. Was wir nicht wissen, ist, was mit ihnen dort geschieht, nachdem sie sich ausgewiesen und ihre Dokumente bekommen haben. Ich spreche ausdrücklich von Rhodos und Kos, weil wir Franziskaner auf beiden Inseln tätig sind, aber die Situation ist auf allen übrigen Inseln gleich. Die Hauptrettungszentren befinden sich momentan auf Leros und Karpathos. Wenn die Küstenwache ein Schiff mit Migranten erfolgreich rettet, begleitet sie es seit einiger Zeit zu einer Insel. Viele kommen auf diese Weise nach Rhodos oder Kos, weil sie nachts unterwegs sind, um den Radarkontrollen auszuweichen. Einigen Wenigen nur gelingt es, zu entkommen und Griechenland zu erreichen, von wo aus sie ohne Dokumente sich bewegen können. Die Flüchtlinge sind nicht die einzigen Leidtragenden, mit der Zeit beginnen die Griechen die schwierige Lage auch zu spüren. Der Tourismus ist um 40 % zurückgegangen, und diejenigen, die während der Spitzenmonate im Sommer vom Tourismus leben, können sich im Winter keine Lebensmittel leisten.

In welchem Zustand sind die Flüchtlinge, wenn sie eintreffen? Wie sollten wir auf diese Situation reagieren?

Ich suche sie auf, wann immer es mir möglich ist. Sie brauchen alles. Wir bringen ihnen alle lebensnotwendigen Güter, sowie Schokolade für die Kinder, und wir verbringen etwas Zeit mit ihnen. Es sind nur wenige Migranten, die eine andere Sprache außer Arabisch können. Die Kinder wissen nicht einmal, wo sie sind, sie meinen, sie seien in Frankreich oder in Italien. Wir tun, was wir können, um auf diese Notsituation zu reagieren. Im Kloster zum Beispiel hatten wir früher Blumen im Garten, jetzt aber bauen wir Gemüse in diesen Beeten an. Es muss sein. Unsere Pfarrangehörigen helfen auch recht viel: Jeden Dienstag anlässlich der Novene und der Vigil des Heiligen Antonius kommen Menschen mit Brot und stellen es am Altar ab, zu Ehren des Heiligen. Überdies bringen wir den Flüchtlingen andere nicht verderbliche Ware wie Öl, Reis oder Thunfisch. Mit diesen Produkten stellen wir Pakete für Familien mit drei bis vier Menschen her. Wir tun viel, aber die Not ist groß, und die Flüchtlinge bekommen zu wenig Hilfe.

Wie können wir helfen?

Der Verein pro Terra Sancta hat schon viel geleistet, aber ich wiederhole: Die Not ist groß. Der Verein braucht Geld, um allerlei Dinge einzukaufen, um wenigstens Erste Hilfe zu leisten. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, um die Situation recht gut charakterisieren zu können. Es gibt zahlreiche andere Flüchtlingslager, die zur Zeit in Betrieb sind, aber Kos bleibt ein Zentrum, das etwa 800 Flüchtlinge aufnehmen kann. Das Zentrum wird von der UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR) verwaltet; ich kenne den Lagerleiter. Im vergangenen Monat gingen ihnen die Lebensmittel aus, und man wartete auf neue Lieferungen. Der Leiter der Flüchtlingshilfe erwähnte das in meiner Gegenwart eines Tages beim Abendessen, und ich erinnerte mich daran, dass wir Vorräte von Datteln, Keksen und Wasser in der Pfarrei hatten. Ich bewahre diese Nahrungsmittel in der Krypta der Kirche in Kos auf, welche ich vor einiger Zeit bauen ließ, um Totenmessen feiern zu können, aber wir benutzen sie jetzt als Lagerhaus. Ich ging also in das Lagerhaus und baute einen Tisch auf. Es war Ramadan, und wir bereiteten also eine echte Iftar- Festtafel mit den wenigen Datteln und Keksen, sowie etwas Wasser. Datteln sind vom Ernährungsstandpunkt her optimal, aber zum Abendessen sind sie ein bißchen wenig. Die Flüchtlinge waren aber begeistert. Sie dankten mir immer wieder. „Es ist wie Manna vom Himmel“, sagten sie. An diesem Beispiel sieht man, wie groß die Not ist. Aber man kann schon mit Wenig helfen.